the grey curtain project

Eine antike Künstleranekdote berichtet von der Konkurrenz zweier griechischer Maler, Zeuxis und Parrhasios. Konnte Zeuxis als Beleg seiner Meisterschaft ins Feld führen, die von ihm gemalten Trauben erschienen derart echt, dass sogar die Vögel daran zu picken versuchen, so setzte Parrhasios noch eins drauf: Er malte einen Vorhang derart wirklichkeitsgetreu, dass Zeuxis den Schleier geradewegs beiseiteschieben wollte, um das Bild darunter betrachten zu können.

Die Geschichte gehört zu den beliebtesten Topoi, um die illusionistische Zauberkraft der Malerei heraufzubeschwören. Vor allem in der holländischen Barockmalerei spielt der gemalte Vorhang eine prominente Rolle – etwa bei Rembrandts Gemälde „Die Heilige Familie mit dem Vorhang“, wo die zurückgezogene Draperie den Blick auf Maria, Josef und das Christuskind freigibt.

In den Bildern von Rolf Sellmanns Serie „the grey curtain“ hingegen hat der (geschlossene) Vorhang seine dienende Rolle abgestreift. Die im Ausschnitt wiedergegebene Stoffbahn verbirgt kein Dahinter; vielmehr ist sie selbst das Bühnenereignis. Das Stück, das hier gegeben wird, handelt von den Nuancen der Schattierung. Innerhalb eines bewusst begrenzten Farbspektrums – graublau, nahezu monochrom – entfalten sich die subtilen Abstufungen der Chiaroscuro-Malerei.

Licht und Schatten modellieren den schweren Stoff, der vor- und zurückschwingt, der sich hier bauscht, dort zusammensackt, auf dessen dunkler Folie sich allerlei helle Lichter brechen. Die abwechslungsreichen Schattierungen der „grey curtain“-Bilder kann man ausgiebig betrachten, ohne dass einem dabei langweilig wird.

Wem das nicht genügt, wer nach einer Nobilitierung durch Kunsttheorie trachtet, der mag Rolf Sellmanns Bilder in die Genealogie von Gertrude Steins berühmtem Satz „Rose is a rose is a rose is a rose“ einreihen: Ein Vorhang ist ein Vorhang ist ein Vorhang ist ein Vorhang …